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30 Jahre nach Hainburg "An die Bäume gekettet" Aufräumen mit Mythen

Unauslöschbar findet sich in zahlreichen Berichten und Wortmeldungen die tradierte Vorstellung, in Hainburg hätten sich die AubesetzerInnen an die Bäume gekettet. Trotz der Hartnäckigkeit, mit der sich das hält ist dieses Gerücht FALSCH! Ich hab während der ganzen Zeit keine gesehen, Leute die ich befragt habe nicht, nirgendwo auf dem verfügbaren Bild- oder Videomaterial gibt es derartige Szenen. Einzelne Ausnahmen die es vielleicht dennoch gegeben haben mag bestätigen die Regel

Es wäre einfach das falsche Stilmittel gewesen. Es galt mit einer sonst nie dagewesenen Zahl von hunderten bis tausenden Menschen zu agieren, das war dort wo es Konfrontationen gab ein "wurlertes" dynamisches für die Exekutive schwer einzuschätzendes Gemenge und das war gut so und notwendig. Die hunderten bis tausenden Menschen verloren sich dann aber aber auch wieder in einem Gebiet für das 1-1,5 Stunden benötigt wurden um von einem Ende zum anderen zu kommen. Hier war ebenfalls Beweglichkeit und Flexibilität gefragt, es ging darum kolportierte 1,5 Millionen Bäume zu schützen, nicht einige wenige ausgewählte. Unübliche Erfordernisse brauchen adäquate Lösungen.

Wolfgang Rehm 06.12.2014

 

Nach einer langen Pause - fast drei Jahre später
Im vorläufigen Rückblick ist diese Website nie so komplett geworden, wie das eigentlich angedacht war und bisher Baustelle geblieben. Gleichzeitig Dokumentationsarbeit zu machen während ich sehr oft mitten im Geschehen gesteckt bin, war nicht im gewünschten Ausmaß möglich - hier zeigen sich auch die Grenzen des möglichen Engagements - aber was nicht ist kann ja noch werden. Ihre erste heiße Phase hat die Page jedenfalls hinter sich gebracht und trotz des verstrichenen 20ers kein programmiertes Ablaufdatum. In drei Jahren ist viel passiert:

Die Auseinandersetzungen um Lobauautobahn und Marchfeldautobahn dauern an - die Projekte wurden um Jahre nach hinten verlegt. In der Lobau kam es rund um die "Mahnwache in der AU" zur ersten direkten Aktion der österreichischen Umweltbewegung seit zehn Jahren und zum ersten Camp in den Donauauen seit Hainburg (siehe auch unten). Das Thema Klimawandel und die in diesem Zusammenhang immer dringender werdenden Erfordernisse einer geänderten Energie- aber auch Verkehrs- Wirtschafts- und Sozialpolitik sind stärker ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Dass in diesem Zusammenhang auch politische Alibiankündigungen Aktivität vorgaukeln und fortgesetztes Nichtagieren in den Schlüsselbereichen verdecken sollen, hat sich beispielsweise an verstärkter Werbung für die Schifffahrt als Verkehrsträger niedergeschagen. Das ist dann probematisch, wenn einer eher bescheidenen Wirkung eines auf Wasserstrassenbau fokussierten Aktionsprogramms schwere Schäden für Ökosysteme und Grundwasservorkommen gegenüber stehen. Unter dem Stichwort "Kraftwerk Hainburg für den Klimaschutz" waren sich im Frühjahr 2007 gleich mehrere Vertreter von Politik und Wirtschaft nicht zu dumm, die Neuauflage des Donaukraftwerksprojekts zu fordern. Kurz davor hatten schon die "Dinosaurier" des slowakischen Wasserbaus ihren Wunsch nach einem Donaukraftwerk Wolfsthal erneuert und nach Wien gesandt.

Die 2004 bevorstehende "Donauprivatisierung" ist kurz danach über die Bühne gegangen - die "worst- case" erwarteten Auswirkungen traten glücklicherweise bisher nicht ein, dennoch ist die "Via Donau Wasserstraßen GesmbH" in der derzeitigen Form nicht die Struktur, die die Donau eigenlich braucht. Der geplante Ausbau an der gesamten Donau ist nach wie vor aktuell- beim in Österreich verfolgten "Flußbaulichen Gesamtprojekt" sind bisher sämtliche Zeitpläne gepurzelt- dieser Konflikt beginnt sich gerade zuzuspitzen. Was in unserer Aufstellung aus 2004 keine Erwähnung fand, das Problem Flugverkehr (aus Klimaschutzgründen) und der damit einhergehenden Belastung durch Fluglärm für die Wohnbevölkerung sorgt für immer mehr Unmut. Fluglärm ist aber auch für den Nationalpark eine nicht zu unterschätzende Beeinträchtigung.

Traurig sieht es im Bereich der Energiepolitik aus. Im Elektrizitätssektor wurde nach monatelangen Scherereien das Ökostromgesetz novelliert. Der resultierende Scherbenhaufen sorgt nun für neuen Reformbedarf, weil die angepeilten Ziele so nicht erreichbar sind. Anstatt nach einer "ausgewogenen Elektrizitätsernährung" zu streben, die auf einem diversifizierten Mix an Energieträgern basiert, tritt der Wunsch in die alten Nachkriegszeiten der "Wasserkraftreligion" zurückzukehren - ohne Aussicht, damit die Probleme zu lösen. Der Ausbau der 380-kV Leitungen wird unter Berufung auf die notwendige "Verschwendungssicherheit" vorangetrieben. In der Steiermark könnte ein Baubeginn in Kürze bevorstehen, ohne dass es zum Beispiel über Auflagen an die E-Wirtschaft nachfragevermeidend tätig zu werden auch nur eine politische Diskussion geben würde. Die Stupava-Leitung durch das Marchfeld findet sich mittlerweile in Wunschlisten der EU-Kommission wieder. Das Hauptproblem den Verbrauch zu stabilisieren und dann zu reduzieren wird hinter einer Energieeffizienzdiskussion verschleiert, als ob Effizienz ein Selbstzweck wäre und nicht (bestenfalls) ein (eines unter mehreren) Mitteln zum Zweck.

Es gibt viel zu tun!

W. Rehm 28.10.2007


"Lobaubesetzung" und Hainburg
Im November/Dezember 2006 ging sieben Wochen lang in der Lobau die sogenannte "Mahnwache in der AU" über die Bühne und sorgte für einiges Aufsehen. Es handelte sich um eine Aktion deren komplexes Konzept nicht selten durch Personen, deren Vorstellungen sich eher an einfacheren Ablaufschemata orientierten, mißverstanden wurde. Auch wurde der Vergleich mit Hainburg 1984 gezogen - der allerdings nur vordergründig nahelag. Eine Analyse eines in beiden Fällen Beteiligten weiter unten:

Worum ging es in der Lobau
Vordergründig bildeten geplante Probebohrungen in der Lobau den Anlass, am Rande der Au ein Mahnwachecamp einzurichten. Dabei sollte gereade in einer Zeit des absehbaren Regierungswechsel das Projekt der Lobauautobahn einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden und - noch viel wichtiger - die eminente Bedeutung des Verkehrssektors für die Entwicklung von Gesamtenergieverbrauch und Emissionen dargestellt werden. Gleichzeitig sorgte ein im "Interregnum" selbstbewusst gewordener (und mittlwerweile gerade frisch "geschasster") ASFINAG-Vorstand dafür, dass die Finanzprobleme in die die Gesellschaft durch die grenzenlose Autobahngier der Politik auf Kosten der Allgemeinheit hineinmanövriert wurde, aufs Tapet kamen. Im Umfeld der Mahnwache kam es dann auch zu Aktionen um die Bohrgeräte. Nun haben offenbar einige erwartet, dass Bohrgeräte bis zum Letzten verteidigt werden wie anderswo von der Rodung bedrohte Bäume. Letztendlich wurden die Probebohrungen auch durchgeführt (ob das was dabei herausgekommen ist, der ASFINAG viel Freude bereiten wird, bleibt abzuwarten). Die Aktion kurz zusammengefasst: Es engagierten sich viele junge neue Leute, es gab ein breites Medienecho (vom Tenor her mischten sich Licht und Schatten) und es gelang auch punktuell die Message rüberzubringen (auch wenn MedienvertreterInnnen vor allem Stimmungsberichte nachfragten á la "wars kalt in der Nacht, habt ihr auch genug zu essen, wie war der Stuhlgang?" o.ä.) . Mittlerweile gibt es auch den UN-Klimabericht und mehrfach Aussagen von Regierungsmitgliedern, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele Maßnahmen auch im Verkehrsbereich erforderlich sind. Mittlerweile unvorstellbar, aber noch 2006 war das alles andere als selbstversändlichkeit und das ist auch ein bißchen ein Erfolg der Lobau-Aktion. Das Projekt Lobauautobahn ist um drei Jahre verschoben, der im Jänner begonnene Runde Tisch zwar an der Totalverweigerung, Arbeitsunwilligkeit und Angst vor neuen Erkenntnissen bei den Ländern Wien und Niederösterreich gescheitert aber dennoch in manchen Details sehr aufschlussreich verlaufen, die Auseinandersetzung um Klimapolitik ziemlich zugespitzt und für eine weitere Bekämpung der Lobauautobahn bleibt viel Zeit. Ein Alternativszenario, bei dem sich UmweltaktivistInnen unter (nahezu) Ausschluss der Öffentlichkeit auf Probebohrarbeiten konzentrieren, und durch ihre Präsenz bestenfalls eine Verschiebung um ein Jahr bewirken nach dessen Ablauf dann alles wieder von vorne beginnt wäre wohl eher als Pyrrhussieg denn als Wunschszenario zu werten gewesen.

Ein Vergleich mit Hainburg
In meiner bisherigen "Karriere" habe ich wohl schon mindestens 30 Gelegenheiten entdeckt, wo irgendwer ein "Zweites Hainburg" beschwören wollte - regelmäßig klafften Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Die Lobau-Aktion konnte, sollte und wollte kein zweites Hainburg sein. Sie warb mit dem "ersten Camp in den Donauauen seit mehr als 20 Jahren" und hatte allein von der geographischen Verortung "Au-Feeling" zu bieten. Aber damit hat es sich auch schon. Von der Größe her weniger mit Hainburg als eher noch mit Lambach oder Fisching zu vergleichen bzw. auch in etwa mit den Aktionen an Pyhrn und Ostautobahn oder im Ennstal in den 1980er bzw. 90er Jahren. Ein Vergleich mit Hainburg ist schon deshalb unzutreffend, weil diese Aktion am Ende einer 2 Jahre laufenden massiven Kampagne stand, die Lobau-Aktion eher als "Kaltstart" am Anfang einer solchen einzuordnen wäre. 1984 ging es um einen bereits enorm zugespitzten Konflikt, um ein formell genehmigtes Projekt, dessen Baubginn mit großflächigen Rodungen unmittelbar bevorstand, 2006 bildeten Vorarbeiten in Gestalt von Probebohrungen den Anlaß, neben allgemeinen Verkehrs-und Klimapolitischen Fehlleistungen ein Vorhaben zu thematisieren, das noch weit von seiner Einreichbarkeit entfernt war und ist. In diesem Sinne ist die Mahnwache in der Lobau bezogen auf die Hainburg-Dramaturgie eher mit den "Vorgeplänkeln" vergleichbar, die 1983/84 im Reichraminger Hintergebirge, bei der Simmeringer "Gemüseautobahn", und am Simmeringer Sauhaufen stattfanden (das Wort Vorgeplänkel soll keinesfalls verharmlosend wirken- die damalige Vorgangsweise von Exekutive und Holzfällertrupps war äußerst brutal). Und noch ein Aspekt sei in Erinnerung gerufen: Die heiße Phase von Hainburg 1984 dauerte gerade einmal 11 Tage (10.12.1984 versuchter Rodungsbeginn- 21.12.1984 Verkündung eines "Weihnachtsfriedens" durch Kanzler Sinowatz). Innerhalb der ersten drei Tage gab es drei Gendarmerieeinsätze. In der Lobau hingegen war deutlich mehr Geduld und Ausdauer gefragt, sieben Wochen dauerte die Mahnwache und nach drei Wochen ließen sich die ersten Bohrgeräte blicken, während sich die Exekutive überhaupt zurückhielt. Auch in Hainburg waren am 10.12.1984 nicht tausende sondern bloß ein paar hundert, eine Zahl die im Laufe des Tages abnahm, so dass den ab ca. 14:00 vorrückenden Gendarmerieeinheiten nur zahlenmäßig deutlich geschwächte Aubesetzer gegenüberstanden. Die Zahl stieg am folgenden Tag wieder auf deutlich über tausend an, aber angenommen dort hätte mehrere Wochen gewartet werden müssen, dass etwas passiert, wäre ein Routinebetrieb auf niedrigerem Niveau die logische Konsequenz gewesen.

W. Rehm 28.10.2007


Vorläufiges Resumée 20 Jahre nach der Aubesetzung:
Unbestrittenerweise war "Hainburg" oder "Stopfenreuth" ein großer Erfolg. Die besondere Symbolwirkung für die Umweltbewegung in Österreich und teilweise über die Grenzen hinaus ist evident. Dennoch ist es ein unvollständig gebliebener Erfolg, wie auf http://www.20-jahre-hainburg.at an anderer Stelle nachzulesen ist. Seine nachhaltige Sicherung erfordert einen langen Atem und besondere Wachsamkeit gegenüber nachträglichen "Korrekturversuchen". Deren Durchsetzung könnte einen Rückschlag für die Motivation zu politischem Engagement an sich bedeuten.
So wichtig ein Symbol wie "Hainburg" ist, wäre eine Glorifizierung in unerreichbare Höhen kontraproduktiv. Ganz normale Menschen haben gute politische Arbeit geleistet, die Grundlage für das besonders gute Zusammenwirken mehrerer Erfolgsfaktoren war. Zu glauben, so etwas wäre alltäglich, würde Entäuschung nach sich ziehen. Aber viele kleine und Hainburg als eines der großen Beispiele zeigen: Engagement zahlt sich aus, nicht nur 1984 sondern auch 2004!

W. Rehm 15.11.2004


"Si tacuisses, philosophus mansisses - wenn du geschwiegen hättest wärst du Philosoph geblieben!" -Ein Sprichwort passend zu Sinowatz und Blecha

Wenn Sinowatz geschwiegen hätte, dann hätte er nämlich alle Chancen gehabt, als Kanzler, der den richtigen Riecher für den gestaffelten Ausstieg aus dem Hainburg Konflikt gehabt hat und sich in Sachen Deeskalation verdient gemacht hat, in die Geschichte einzugehen. Sinowatz hat sich hingegen aus nur ihm bekannten Gründen dafür entschieden, 2004 Aussagen zu treffen, die ein Verschließen vor der Realität des Jahres 1984 erkennen lassen. Ein milder Winter 1984, ein harmloser Polizeieinsatz? Gut überlegte Aussagen? Um damit durchzukommen gibt es einfach zu viel an Dokumentationsmaterial und Zeitzeugen. Wenn ich beispielsweise 1984 schon gewusst hätte, was uns Sinowatz jetzt auftischt, dann hätte ich mir in der Nacht vom 16. auf den 17.12.1984 keine zweite lange Unterhose anziehen müssen, als ich erneut in die Au aufbrach, dann habe ich mir 10 Minusgrade und schneidenden Wind nur eingebildet, dann waren die tiefverschneiten Lager auf Fotos und Film nur Montagen, dann war vor allem der Jänner 1985 nicht einer der kältesten der Dekade. Es geht immer noch etwas brutaler und kälter. Aber der Schlagstockeinsatz der Wiener Polizei, die bis heute beispiellose Verwendung von "NATO-Draht" (der anstelle von Stacheln Messerklingen trägt), der dementierte und dennoch dokumentierte Einsatz von Hunden und (improvisierten) Wasserwerfern (bei Minusgraden und langen Fusswegen zu den nächsten Behausungen potentiell lebensbedrohlich) rechtfertigen sicher nicht eine Einschätzung á la "Es war eh nix".

Blecha hat nicht so eine gute Ausgangsposition gehabt. Als Innenminister war er direkter für den Polizeieinsatz verantwortlich. Nicht ohne Grund wurde die heute nur mehr für Eingeweihte zu erkennende Rodungstelle des 19.12.1984 mit dem Ehrennamen "Blecha-Platz" ausgezeichnet. Er hätte aber Anstrengungen, in Richtung Gewerkschaft beruhigenden Einfluss auszuüben anführen können anstatt den Polizeieinsatz zu verharmlosen. Auch er hat die Chance, über den Schatten seiner Vergangenheit zu springen nicht genützt.

Wolfgang Rehm 19.12.2004 (zum 19.12.1984, wegen des brutalsten Polizeiensatzes im Verlauf des "Hainburg Konflikts" auch "Schwarzer Mittwoch" genannt)

 

 

 

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